Vier Schlüssel zur ignatianischen Spiritualität – 2

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Prophetisch sein in dieser Welt

Die Unterscheidung der Geister

Ein weiterer prophetischer Aspekt der ignatianischen Spiritualität ist die Unterscheidungsfähigkeit. Papst Franziskus hat als guter Jesuit gerade in der Unterscheidung der Geister die Möglichkeit und die Fähigkeit aufgezeigt, das Evangelium heute in der persönlichen Begleitung derjenigen zu verkünden, die sich auf der Suche nach Orientierung für ihr Leben an die Kirche wenden. In Amoris Laetitia spricht er zum Beispiel von der Notwendigkeit, die individuelle Situation von Paaren zu bewerten, ausgehend von einem allgemeinen Grundsatz, der jedoch nicht mechanisch auf alle angewendet werden kann. Dieser Ansatz gehört ganz allgemein zu jener „Unterscheidung der Zeichen der Zeit“, von der das Zweite Vatikanische Konzil bereits in der Konstitution Gaudium et Spes gesprochen hat: Es ist die ständige Aufgabe der Kirche, die Zeichen der Zeit zu prüfen und sie im Licht des Evangeliums zu deuten, damit sie in einer der jeweiligen Generation angemessenen Weise auf die immerwährenden Fragen der Menschen nach dem Sinn des gegenwärtigen und zukünftigen Lebens und ihrer gegenseitigen Beziehungen antworten kann (GS 4). Diese Unterscheidung der objektiven, sozialen und kulturellen Situationen findet in der ignatianischen Spiritualität und in der Praxis der Exerzitien die Möglichkeit, sie aus der persönlichen Erfahrung des Subjekts zu lernen und zu praktizieren, das sich darin übt, den vom Herrn vorgezeichneten Weg zu gehen. Auf dieser persönlichen Ebene geht es darum, die Fähigkeit zu entwickeln, auf die inneren Bewegungen des Herzens zu hören und zu erkennen, ob sie vom guten oder vom bösen Geist verursacht werden, wie uns der heilige Ignatius lehrt, um „die guten [Eingebungen] anzunehmen und die schlechten zurückzuweisen“ (EK 313ff). Es ist ein wesentlicher Bestandteil einer weisen und prophetischen Lebenseinstellung, durch geistliche Übungen eine gute Kritikfähigkeit zu entwickeln, auch sich selbst gegenüber, die darin besteht, die Motivationen hinter unseren Handlungen und Entscheidungen zu erkennen, besonders heute, in der Zeit von Fake News.

P Giuseppe Trotta SJ
Carla Bellone